In Bachs Präludium und Fuge a-moll ist der Zusammenhang zwischen Präludium und Fuge ungewöhnlich eng. Häufig kann man ein Präludium auch ohne die anschließende Fuge spielen, hier allerdings hat es deutlich vorbereitende Wirkung, es ist im wörtlichen Sinne ,,Vorspiel” zur Fuge. Seine lange einstimmige Figuration zu Beginn ist voller rhythmischer Spannung, ihre Energie löst sich vorläufig in einem Akkordtriller. Aus ihm geht der zweite Teil hervor, in dem der Ausdruck – in barocker Denkweise also der „Affektgehalt“ – durch neue Figurationen bereichert wird.

Die Fuge hat ein rhythmisch vertracktes Thema, weil vom 2. Takt an die Tonfortschreitung jeweils auf dem unbetonten Wert erfolgt. Die beiden Hälften des Themas verwirklichen gleichsam zwei Sprech­-Gesten mit unterschiedlicher Artikulation und prägen damit den Charakter der Komposition.


Die Gliederung der Fuge ist großflächig und ist leicht zu erfassen. Die Steigerung am Schluß entsteht auf eine interessante Art: Nicht durch zusätzliche Töne, sondern durch Verlagerung der Energie in die unterste Stimme, in ein Pedalsolo, wird die dominantische Spannung vergrößert; sie schwingt dann aus in schnellster Bewegung im Manual und in knappen Akkorden.

Joseph Ahrens war ein wichtiger Kirchenmusiker in Deutschland. Viele seiner Orgelwerke sind vom gregorianischen Choral inspiriert. In den "Cantiones" von 1957 arbeitet er teilweise ganze Gesänge zu Orgelkompositionen unterschiedlicher Länge aus, zum Teil bildet auch nur ein kurzes Motiv das Thema, wie die Intonation zum Gloria oder zum Credo. Er bedient sich dabei einer bis zur Zwölftontechnik erweiterten Tonalität. Die hier gespielten Kompositionen bilden zusammen gleichsam eine Orgelfassung der Meßgesänge. Ihre gregorianischen Melodien waren damals jedem Kirchgänger geläufig.

Der Sinngehalt der Worte des Chorals verbindet sich in dieser Orgelmusik also über die alte Melodie mit dem modernen Klang. –

Der Introitus, sonst der gregorianische Eingangsgesang der Messe, ist ohne die Vorlage einer Choralmelodie komponiert; er will den Menschen aus der Sprache der Alltäglichkeit fort, hinein in das heilige Geschehen des Gottesdienstes führen.

Die Haltung des demütig bittenden und inständig flehenden Beters offenbart sich im Kyrie, teils in einem aus der ganzen Melodie des “Kyrie eleison“ („Herr erbarme dich“) gestalteten Gewebe, teils im einfachen Ausruf des "Kyrie", also dem ersten kurzen Melodiebogen von vier Tönen.

Im Gloria in excelsis Deo löst sich aus lichten Klängen mit zunehmender Lautstärke allmäh-lich das Thema heraus, so als würden die Engel erscheinen, ihren Hymnus singen und dann wieder entschwinden; entsprechend wird in den Klängen des Schlußabschnitts der Bogen zurück zum Beginn geschlagen. –

Das Credo beginnt mit der zuversichtlichen Deklamation des Motivs "Credo in unum Deum" – „Ich glaube an den einen Gott“. Doch bald wird deutlich, daß sich der Glaube erst durch Wirrnisse hindurchkämpfen muß, in denen er verloren zu gehen droht, so wie auch das Credo-Thema von harten dissonanten Klangballungen verdrängt wird, die aus einem krausen und doch schönen Zwölftonthema hervorgehen. In diesem knappen Teil darf man die intellektuelle Anfechtung des Glaubens sehen. Unmittelbar auf die Andeutung eines teuflischen Lachens erklingt dann wieder mit Macht das Credo-Motiv (also die kleine Terz abwärts), das dann in einen melodisch und polyphon ausgearbeiteten Hymnus mündet. –


Die Versenkungen in das Mysterium der Weihnacht hat das Et incarnatus est zum Inhalt. Die ehrfürchtige Wiederholung der Schlußzeile (“et homo factus est“ – „und er ist Mensch geworden“) bildet den Kern der betrachtenden Aussage. –

Im Sanctus wird die gut hörbare Choralmelodie von einer Akkordfolge umgeben oder kontrastiert, in der traditionelle Akkorde auf eine Zwölftonreihe bezogen sind. –



Weniger traditionell sind die Klänge im ruhigen, kontemplativen Agnus Dei, wo die Melodie auch in wechselnde Tonräume eingefügt wird. –



Mit Ite missa est hat früher der Priester die Gemeinde entlassen, ihre Antwort mit „Deo gratias“ wurde auf die gleiche Melodie gesungen. Ahrens gestaltet aus der Melodie einen schwungvollen Hymnus für die Orgel. Die Choralmelodie wird in verschiedenen Tonräumen und in vielfältigen Überlagerungen ohne Unterbrechung ausgebreitet.

Präludium und Fuge in D-Dur zählen zu den virtuosesten Orgelwerken in der Zeit von Bachs früher Meisterschaft. Im mehrteiligen Präludium werden ganz unterschiedliche Mittel kontrastreich aufgeboten: Tonleiterskalen und Dreiklangsbrechungen – und das auch im Pedal, wo es solche Figurationen wegen ihrer schweren Spielbarkeit zuvor nicht gegeben hat – dann folgen rhythmische Akzentuierungen im Stil der französischen Ouvertüre, im Hauptteil große Melodiebögen mit Korrespondenzen wie in Echopartien und zum Abschluß große Klangballungen von ungewöhnlicher harmonischer Dichte.

Die Fuge ist ganz beherrscht von dem langen zweiteiligen motorischen Thema. Von seinem zweiten Auftreten an wird die Pause im Thema durch einen stereotypen Einschub gefüllt. Alle Abwechslungen innerhalb der Fuge bleiben an den motorischen Duktus des Themas gebunden. Es wird in harmonisch weit entfernte Regionen moduliert, bis nach fis-moll und cis-moll. Die Schlußsteigerung der umfangreichen Fuge erfolgt vornehmlich im Pedal; denn trotz der Reduzierung der Stimmenzahl nimmt die Intensität zu. Bei schneller Bewegung in tiefer Lage hat man nämlich das Empfinden, daß große Klangmassen bewegt werden. Insofern korrespondiert dieser Abschluß mit dem Ende des Präludiums.

 

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