Liebe Gemeinde,

es erfüllt mich immer wieder mit Erstaunen und Bewunderung, wenn ich im Neuen Testament die Auferstehungsberichte der Evangelisten lese. Mit unseren menschlichen Worten, Begriffen, die also auch begrenzt sind, stellen sie ihre Erfahrung des auferstandenen Christus dar, also eine Wirklichkeit, die jenseits unserer Vorstellung und damit auch Begrifflichkeit liegt, aber in ganz ausgezeichneter Weise Hoffnung und Vertrauen in uns begründet. Die Situation der Menschen um Jesus von Nazareth kann katastrophaler nicht sein: Zusammenbruch aller Hoffnungen und der schmerzvolle, traurige Verlust eines Menschen, der zu ihnen gehörte und auf den sie sich verließen. Der Weg von Golgotha zum Grab war ein trauriger Weg, ein Weg in die Hoffnungslosigkeit, ohne Zukunft. Zurück bleibt eine Gruppe ängstlicher, verwirrter Menschen. Es folgt der Sabbat, eigentlich ein Tag voller Dankbarkeit und Freude über die Treue Gottes zu seinem Volk. Es muß ein leerer, trauriger Sabbat gewesen sein, wie ihn diese kleine Gruppe damals begangen hat, feiern konnten sie ihn gewiß nicht, ein Sabbat der Hoffnungslosigkeit.

Und dann: beeindruckend in ihrer Hilflosigkeit verkünden die Evangelisten den Tag nach dem Sabbat. Die Frauen am Grab, im Johannes-Evangelium Maria von Magdala und ihre Begegnung mit dem Auferstandenen: Sie glaubte, es sei der Gärtner, der späte Bericht im Lukas-Evangelium vom Weg der verzagten Emmaus-Jünger, der späte Bericht im Johannes-Evangelium von der Begegnung am See Tiberias: gerade die Schlichtheit dieser Worte beeindrucken mich ungemein. Wenn etwas jede gekannte Wirklichkeit sprengt, fehlen uns die Worte, fehlt uns auch das Begreifen. Ich glaube, daß in diesen Berichten auffällig wird, daß in diesen Worten sich ereignet, was uns Offenbarung vermitteln möchte. Unsere menschliche Wirklichkeit, begrenzt in ihrer Erfahrung und Beschreibung, wächst aus dieser Begrenzung heraus in eine Wirklichkeit, die nicht die unsere ist. Sie wird aber damals von den Menschen angenommen, weil jene um Jesus von Nazareth ihn in seiner neuen Wirklichkeit, in göttlicher Wirklichkeit erleben konnten. Und dieses Erleben gibt ihren Worten die Möglichkeit, in unsere Welt und die Zukunft der Menschen hineinzuwirken. Wir glauben, weil die Jünger geglaubt haben. Wir glauben, weil vielleicht auch unsere Herzen aufgebrochen sind wie damals jene einer traurigen, verzweifelten Versammlung. Wie schön ist es, wenn wir uns selber begreifen als Menschen, die mit den Jüngern und den Frauen um Jesus auf dem Weg sind, der in die staunende Erfahrung hineinführt: Christus lebt. Wenn wir selbst aus so manchen Situationen unserer Angst, Trauer oder Ungewißheit hineinwachsen, hineinleben in die Freude jener von damals, wenn unser Alltag uns herausführt in das Erstaunen und unbeschreibbare Glück: dieser Jesus lebt - dann fängt mit jedem Osterfest, das wir feiern, ein neues Wegstück an, das jenem der Emmausjünger auf ihrem Rückweg gleicht.

Ein Rückblick sei wieder erlaubt: Gruppen aus der Gemeinde haben sich in den Gottesdiensten der Fastenzeit in besonderer, guter Weise bei der Gottesdienstgestaltung beteiligt. Ich danke allen dafür ganz herzlich, denn der Gottesdienst ist noch immer das Zusammenkommen der Gläubigen von besonderem Wert: dieses Zusammenkommen ist die Versammlung, die zur heiligen Versammlung wird, weil wir unsere Dankbarkeit Gott gegenüber erleben und aufzeigen, weil wir begriffen haben: wir denken an Gott, denn Gott denkt an uns. Und weil Gott an uns denkt, darum leben wir.

Ostern verwandelt die Finsternis des Karfreitags in die Freude, die zu unserem Leben gehören soll, um menschenwürdiges und damit gotteswürdiges Leben zu sein.

Wie schön ist es, daß wir unser Leben so leben können: ich freue mich über meinen Gott, denn er macht mein Leben lebens- und damit liebenswürdig.

Mit herzlichem Gruß aus dem Pfarrhaus und allen guten Wünschen für gesegnete Ostertage,

Ihr Pfarrer Lutz Gottschalk.

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