François Mauriac: "Thérèse Desqueyroux"

François Mauriac (1885-1970), einer der bedeutendsten franzoesischen Autoren des vergangenen Jahrhunderts, erhielt 1952 den Literaturnobelpreis "für die durchdringende Seelenkenntnis und künstlerische Intensität, womit er in der Form des Romans das Drama des menschlichen Lebens deutet". Diese Bewertung laesst sich in seinem wohl beruehmtesten Roman "Thérèse Desqueyroux", der 1927 veroeffentlicht wurde, sehr gut begruenden und nachvollziehen.

Es geht um eine Frau (Thérèse), die, ungluecklich und verloren in der Familie, in die sie eingeheiratet hat, versucht, ihren eigenen Ehemann zu vergiften. Um die Ehre der Familie zu wahren und die kleine Tochter, zu der Thérèse ebenfalls keine Beziehung aufbauen kann, zu schuetzen, entschliesst ihr Mann sich zu einer Falschaussage vor Gericht. Er laesst die Verbrecherin zur Strafe zurueckgezogen und unter Sicherheitsauflagen in ihrem Zimmer leben und ebenso verkommen, denn sie vegetiert in ihrer Einsamkeit und ihren Gedanken vor sich hin, magert bis zur Unkenntlichkeit ab, raucht und trinkt und sieht nur noch wenig Sinn in ihrem Leben. Bernard, ihr Ehemann, weiss sich keinen Ausweg mehr und verspricht ihr schliesslich die Freiheit, wenn sie noch bis zur vielversprechenden und vermoegenssteigernden Hochzeit seiner kleineren Schwester wartet und sich zusammenreisst.

Wenn man einen Roman von Mauriac lesen moechte, dann empfehle ich diese fesselnde und hochpsychologisierende Studie einer Kriminellen, mit der man sich nach und nach zu identifizieren vermag. Die Gefangenheit der Frau in sich selbst, ihre faszinierenden Gedankengaenge, ihre bestechende Logik, ihr Hass und ihre Gleichgueltigkeit sind detailliert, aber interessant dargestellt. Man hat Mitgefuehl mit ihr, man kann sich problemlos in sie hineinversetzen, man begreift, dass sie anders ist als ihre Umgebung, dass sie sich nach Verstaendnis sehnt und doch gleichzeitig sich selbst nicht kennt. Ein spannender Roman, der wirklich lesenswert ist!

Nun zwei Leseproben, viel Spass dabei!

"Longtemps après ce jour, à Saint-Clair et à B., les gens ne s'entretinrent jamais de ces noces de Gamache (où plus de cent métayers et domestiques avaient mangé et bu sous les chênes) sans rappeler que l'épouse, "qui sans doute n'est pas régulièrement jolie mais qui est le charme même", parut à tous, ce jour-là, laide et même affreuse: "Elle ne se ressemblait pas, c'était une autre personne..." Les gens virent seulement qu'elle était différente de son apparence habituelle; ils incriminèrent la toilette blanche, la chaleur; ils ne reconnurent pas son vrai visage.

[...]

Thérèse, songeant à la nuit qui vint ensuite, murmure: "Ce fut horrible..." puis se reprend: "Mais non... pas si horrible..." Durant ce voyage aux lacs italiens, a-t-elle beaucoup souffert? Non, non; elle jouait à ce jeu: ne pas se trahir. Un fiancé se dupe aisément; mais un mari! N'importe qui sait proférer des paroles menteuses; les mensonges du corps exigent une autre science. Mimer le désir, la joie, la fatigue bienheureuse, cela n'est pas donné à tous. Thérèse sut plier son corps à ces feintes et elle y goûtait un plaisir amer."

"Jean Azévédo redoutait-il pour moi ce destin? Il assurait que l'idée ne lui serait pas venue d'entretenir Anne de ces choses, parce que, en dépit de sa passion, elle était une âme toute simple, à peine rétive, et qui bientôt serait asservie: 'Mais vous! Je sens dans toutes vos paroles une faim et une soif de sincérité...'"

(François Mauriac: Thérèse Desqueyroux. Le livre de poche, Paris. Seiten 44/45 und 94.)

 

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