BÜCHERKISTE

Peter Härtling: Schubert

Diesen Monat möchte ich einen interessanten autobiographischen Roman über den Komponisten und Musiker Franz Schubert (1797-1828) vorstellen.

Franz Schubert, geboren und aufgewachsen in einer kinderreichen Familie in einem Schulhaus in Wien, soll eigentlich in die Fußstapfen seines Vaters, Lehrer und Schulleiter, steigen. Doch, sehr zu dessen Leidwesen, öffnete sich ihm von klein auf ein ganz anderer Weg (man könnte hier auch von Bestimmung sprechen und fraglich bleibt, ob Schubert ihn gewählt hat oder ob es ihn nicht viel eher förmlich in jeder Minute seines Lebens in diese, für ein Genie wie ihn einzig mögliche und begehbare Richtung gedrängt hat): Die Musik.

Er wird als Zehnjähriger in die königliche und kaiserliche Hofkapelle aufgenommen, lebt im Konvikt, wo er mehr und mehr seine eigentliche Schulbildung schleifen lässt und sich dem Komponieren widmet. Schon als Jugendlicher sammelt er Schüler- und Lehrerscharen um sich, um seine neusten musikalischen Einfälle zu präsentieren. Sogar der berühmte Hofkomponist Salieri wird schnell auf ihn aufmerksam und wird sein Lehrer.

Text und Wort geben ihm Inspiration und mit schier unerschöpflicher Phantasie und Kreativität vertont er Gedichte von Goethe, Heine u.v.a.

Schubert, der nur 31 Jahre alt geworden ist, scheint Tag und Nacht, ob mit oder ohne Instrument, Texte vertont und komponiert zu haben und hat eine unglaubliche Fülle von Werken hinterlassen.

Der Roman lässt allerdings nicht nur über ein solches Genie staunen, sondern beschreibt einfühlsam den Charakter "Schubert", der einerseits zurückgezogen, andererseits ausgelassen (wenn man an sog. "Schubertiaden" denkt, eine Tradition, bei der es weder an Alkohol noch an neuen Kompositionen mangelte und wo Schubert von zahlreichen Freunden, Bewunderern und Gönnern umringt wurde) ein Leben führte, das der Musik und den Freunden und zuletzt leider auch seiner tragischen, todbringenden Krankheit gewidmet war.

Peter Härtling bekommt ein echtes Lob von mir: Er erhebt nicht den Anspruch, sein Buch "Biographie" nennen zu wollen, was durch schöne Autorenkommentare, die sich durch den gesamten Roman ziehen, deutlich wird, aber er zeichnet ein sensibles Bild von Schubert, das echt und authentisch wirkt, das beeindruckt und einen bewundernd, und zugleich mitfühlend zum großen Franz Schubert aufsehen lässt .

Ein stilistisch wunderbar "musikalisches" Buch, spannend und interessant, schnell gelesen und dennoch äußerst anspruchsvoll, ich kann es wärmstens empfehlen!

Cosima Kießling

"Wenn er still in der Ecke im Hof sitzt, stellt er sich vor, wie die Finger auf die Saiten drücken oder über die Tasten laufen. Er kann sich hören, wenn die anderen meinen, er tue nichts. Manchmal setzt sich in seinem Kopf die Musik fort, nicht die auf dem Notenblatt, sondern eine, die nur er kennt. Gibt er während des Übens dieser Musik nach, schimpft ihn der Vater. [...] Ihn ärgert es, dass der Vater nicht begreift, wie die Lieder, die Stücke ganz von selber weitersingen, sich wiederholen, auf wunderbare Weise verändern."

Er weiß, daß er sich nur mit der Musik aus seiner Einsamkeit befreien kann. Einsam ist er im Lauschen, im Komponieren. Aus dieser Einsamkeit tritt er, sobald er musiziert. Er musiziert mit anderen und für andere. Das Gespräch, das ihn häufig einschüchtert, weil es ihn nötigt, von sich zu sprechen, zu beurteilen und zu urteilen, verliert im Musizieren seine platte Wörtlichkeit."

Peter Härtling: Schubert. Deutscher Taschenbuchverlag GmbH&Co. KG, 9. Aufl. Oktober 2003. S.30, S. 43

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