Da muß die Kirche hin
Grundstein für Gebäudekomplex
der Deutschen Bischofskonferenz
und der Katholischen Akademie im Herzen
Berlins gelegt
Berlin - Wie durch einen in den Berg eingelassenen
Stollen führt jetzt der Weg zum Haupteingang der
Katholischen Akademie in der Mitte Berlins. Die aus rohen
Brettern zusammengefügten Wände der Zeche sind
mit gelb-weißen Fahnen geschmückt. Durch die
Ritzen im Holz schimmert der ocker lackierte Stahl zweier
Riesen. Die Kolosse stehen so, daß ihre Haken und
Seile auf jeden Winkel des 8280 Quadratmeter großen
Grundstücks zugreifen können. An den
kraftvollen Armen der beiden in den Himmel ragenden
Baukräne werden die rohen Lasten hängen. Die
Kunst der Bauleute ist jetzt gefragt. Maurer, Stahl- und
Tiefbauer, Rohrleger, Betongießer, Zimmerleute,
Dachdecker, Heizungsbauer, Glaser und Handwerker vieler
anderer Gewerke fügen hier die besten Materialen zur
Berliner Repräsentanz der Deutschen
Bischofskonferenz, zur Kirche der Katholischen Akademie,
zum Gäste- und Bürohaus und zum Auditorium
zusammen. Bevor der Besucher seinen Fuß in das
Bergwerk setzen kann, sind Polizeibeamte und
unauffällig in Zivil gekleidete, mit Walkie-Talkies
ausgerüstete Sicherheitsleute zu passieren.
Parkplätze gibt es an diesem Samstag keine. In der
Katholischen Akademie ist großer Bahnhof. Werner
Remmers, ihr Direktor, und Prälat Paul Bocklet,
Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe,
hatten zur feierlichen Grundsteinlegung geladen. Neben
dem Berliner Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, und
dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof
Karl Lehmann, waren Vertreter der Bundesregierung, des
Berliner Senats sowie zahlreicher deutscher Diözesen
der Einladung gefolgt.
Das Haus, für das hier der Grundstein gelegt werde,
solle errichtet werden für den Kontakt
zwischen katholischer Kirche und Politik: damit die
katholische Kirche ihren Standpunkt gegenüber
Regierenden und politisch
Verantwortlichen vertreten kann, unterstrich
Kardinal Sterzinsky während seiner Ansprache vor dem
feierlichen Akt. Einen weiteren wichtigen Grund für
den Bau sieht Berlins Erzbischof in der Bereitschaft der
Kirche zum unablässigen Dialog.
Sterzinsky: Damit alle, die nach der
katholischen Kirche fragen und sich auf einen Dialog mit
ihr einlassen wollen, diese gesprächsbereit
vorfinden: wenn es um Kultur und Kunst, Bildung und
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Ökumene und
Weltreligionen, Glaube und Kirche geht. Wie
schon während der vorangegangenen zweistündigen
Festakademie von Bischof Karl Lehmann und Akademieleiter
Werner Remmers festgehalten, betonte Sterzinsky nochmals
die Rolle der katholischen Kirche im Herzen der deutschen
Hauptstadt. Anders als vom bestbezahlten Journalisten der
Weimarer Republik, Kurt Tucholsky, vorwurfsvoll
oder zynisch ausgedrückt: wir
auch, wir auch, hetze die Kirche der rasanten
Entwicklung in Berlin heute nicht hinterher.
Vielmehr sind wir zur Stelle, weil wir eine
Aufgabe - nein: mehrere Aufgaben - erkannt
haben, sagte der Kardinal.
Bevor der Grundstein, in den neben einer Urkunde, drei
Tageszeitungen, einem Münzensatz der Bundesrepublik
Deutschland und verschiedenen Kunstgegenständen auch
die aktuelle Ausgabe der Berliner KirchenZeitung
eingelassen ist, verschlossen wurde, bat der Kardinal um
den Segen Gottes. Mögen in den neu entstehenden
Häusern Menschen zusammenkommen, so Sterzinsky,
die unserer Gesellschaft und unserem ganzen
Volk, auch unseren Nachbarvölkern, Staat und Kirche
Dienste erweisen wollen und erleben, daß sie selbst
dabei auch gewinnen.
Der im Herzen Berlins zu errichtende Gebäudekomplex
wird im Auftrag des Verbandes der Diözesen
Deutschlands und der Erzbischöflichen
Vermögensverwaltungs GmbH gebaut. Auf historischem
Boden wachsen hier die
Repräsentanz der Deutschen Bischofskonferenz mit
einer Gesamtfläche von 2800 Quadratmetern, die
Kirche der Katholischen Akademie als zentraler Ort der
Anlage, das Gästehaus mit 40 Zimmern sowie acht
Appartments, ein Auditorium mit 350 Sitzplätzen, das
Werner Remmers scherzhaft als Minimum von
Auditorium maximum bezeichnet, ein
Bürogebäude mit insgesamt 4600 Quadretmetern
Nutzfläche sowie eine Tiefgarage, in der 156
Besucher ihre PKW parken können. Gebaut wird auf
historischem Boden. Von 1777 an bestand hier für
ziemlich genau 100 Jahre nach der Reformation der erste
katholische Friedhof in Berlin. Im Vorfeld der nun
beginnenden Bauarbeiten wurden 650 Skelette gefunden und
dokumentiert. Darauf verwies Bischof Karl Lehmann in
seiner Festansprache. Der gesamte Gebäudekomplex
grenzt an den Dorotheenstädtischen Friedhof, auf dem
so namhafte Persönlichkeiten wie Johann Gottlieb
Fichte, Heinrich Mann, Karl-Friedrich Schinkel, Ernst
Lithfaß, Georg-Wilhelm-Friedrich Hegel, Bertolt
Brecht, Johann Gottlieb Schadow oder Anna Seghers ihre
letzte Ruhestätte gefunden haben. Auch befindet sich
der Friedhof der Französischen Reformierten Gemeinde
in unmittelbarer Nachbarschaft. Jedesmal, wenn er sich in
Berlin aufhalte, so Bischof Lehmann, bin ich
von der geistigen Dichte und Herausforderung dieser
Friedhöfe angesprochen.
Die Höhepunkte wissenschaftlichen oder
künstlerischen Schaffens charakterisiere die
Geschichte Berlins jedoch nicht allein. Der höchste
Repräsentant der deutschen Katholiken erinnerte an
den Berliner Besuch des Heiligen Vaters im Juni 1996. Auf
dem Hubschrauber-Flug von Tegel ins Schloß Bellevue
habe sich Papst Johannes Paul II. an Lehmann gewandt:
Bischof Lehmann, wissen Sie, was der Papst -
auch als polnischer Bischof - denkt, wenn er nach Berlin
kommt? - Berlin - das ist der Inbegriff von Preußen,
das ist ganz dichte Gegenwart der Zeit des
Nationalsozialismus, das ist lebendige Erinnerung an den
deutschen Kommunismus. Und da muß ich hin, da
muß der Papst hin. In diesem Satz - darin
waren sich die Festredner alle einig - werde der Auftrag
der katholischen Kirche in der 3,4-Millionen-Metropole
verdichtet. Mit dem entstehenden neuen
Gebäudekomplex komme die Kirche ihrer Rolle in der
deutschen Hauptstadt einen bedeutenden Schritt
näher.
Bildzeile:
Drei kräftige Schläge:
Bischof Karl Lehmann wünscht für den 50
Millionen
Mark teuren Bau gutes Gelingen. 15 Millionen Mark
entfallen
davon auf das Erzbistum Berlin.
Foto: Hansjoachim Mirschel
Thomas Steierhoffer
(Ausgabe Nr. 12 / 22.3.98)
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