Eine wunde Stelle in Berlin
Caritas und Malteser veranstalteten
Symposion zu Natürlicher Familienplanung
Berlin - Für Berliner Katholiken ist
die Methode der Natürlichen Familienplanung (NFP)
eine wunde Stelle. Rafael Mikolajczyk stammt
aus Polen. Er studiert Medizin und arbeitet während
seines letzten Studienjahres in Berlin. Seine auf dem 1.
Berliner NFP-Symposion vorgestellte wissenschaftliche
Untersuchung über das Verhalten und den Umgang mit
der Methode der Natürlichen Familienplanung bei
polnischen und deutschen Paaren hat erstaunliche Fakten
zu Tage gefördert. 280 Frauen aus Berlin und ebenso
viele Frauen aus dem polnischen Krakau hat Mikolajczyk zu
ihrem und den Umgang ihrer Partnermit NFP berfragt. Der
Altersdurchschnitt lag bei 27 Jahren. Bislang seien je
150 deutsche und polnische Fragebögen in die als
Dissertation angelegte Arbeit eingeflossen, so der
angehende Mediziner. Für mich war es
erschreckend, daß nicht eine einzige katholische
Frau aus Berlin, die in meiner Studie auftaucht, die
Methode tatsächlich praktiziert,
unterstreicht Mikolajczyk.
Die Berliner Befragten befanden oder befinden sich nach
seinen Angaben in den Caritas-Kliniken Berlin,
Klinikbereich Maria Heimsuchung und Klinikbereich
Galenus, in Behandlung. Etwa 17 Pozent der Klientel
seiner Studie habe sich
als evangelisch, nur sieben Prozent als katholisch
sozialisiert bezeichnet. Neben fünf Prozent, die
sich zu anderen Glaubensgemeinschaften bekannt
hätten, lebe der überwiegende Teil,
nämlich 71 Prozent, ohne religöse
Weltanschauung.Mikolajczyk berichtete vor
Journalisten bereits im Vorfeld des vom Caritasverband
und dem Malteser Hilfsdienst in Berlin-Pankow
veranstalteten Symposions von seinen Umfrageergebnissen.
Danach würden in Polen etwa 60 Prozent der Paare NFP
praktizieren. Mehr als zehn Prozent der
polnischen Befragten nannten ethische und religiöse
Gründe für ihre Entscheidung, sagte
Mikolajczyk. In Berlin seien es nicht einmal ein Prozent
der Paare gewesen, die aus ethisch-religiösen
Überlegungen heraus nach neuen, natürlichen
Formen der Schwangerschaftsverhütung gesucht
hätten.
Wegen der beobachteten geringen Sachkenntnis bei
Ärzten, Schwestern und Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern im sozialen Dienst der Hauptstadt sahen sich
Caritas und Malteser jetzt veranlaßt, das Symposion
zu veranstalten. Etwa 50
Prozent aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich
über NFP informieren wollten, waren Ärzte.
Die Auseinandersetzung und der Umgang mit NFP
brächte eine ganz neue Dimension in eine
Partnerschaft, unterstreicht der Vorsitzende der Berliner
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe,
Dr. Dieter Lamm, der auch Ärztlicher
Direktor der Caritas-Kliniken Pankow ist. NFP
funktioniert nur, wenn Frau und Mann sich einig
sind, stellt er fest. Die Sicherheit der
Methode lasse sich mit der der Pille vergleichen. Anderen
Varianten der Schwangerschaftsverhütung, etwa
Kondome oder Spirale, sei die Natürliche
Familienplanung in Bezug auf ihre Sicherheit weit
überlegen. Voraussetzung ist immer die
richtige Anwendung, betont Dr. Lamm. Und die
kann erlernt werden. Der Gynäkologie erinnert sich
an seine anfängliche Skepsis gegenüber NFP:
Vor Jahren habe ich die Methode als
Buchhaltung in der Liebe
bezeichnet. Heute ist er jedoch ganz sicher:
Es gibt nichts besseres! Dieser
Lernprozeß, so der praktizierende Katholik, beruhe
auf seiner mittlerweile langjährigen Praxis als
Gynäkologe und Geburtshelfer. Er sehe in NFP auf
jeden Fall die richtige Methode, egal ob man
sich gegenwärtig kein Kind wünscht - oder
sehnsüchtig auf Nachwuchs wartet.
Erfahrungen in den Berliner NFP-Beratungsstellen des
Malteser Hilfsdienstes und des Caritasverbandes
untermalen nachhaltig, daß die meisten Paare nach
einer dreimonatigen Lernphase die Natürliche
Familienplanung selbständig und
sicher praktizieren können. Und zwar ohne weitere
Beratung. Dann wissen sie, wann eine
Schwangerschaft ausgeschlossen und wann sie möglich
ist. Auch Maria Zett von der
Caritas-Beratungsstelle für NFP und
sexualpädagogik unterstreicht nochmals die
Sicherheit der Methode. Und sie weist darauf hin,
daß es sich hierbei um keinerlei chemischen oder
mechanischen Eingriff in die Körperlichkeit von Frau
und Mann handle. Natürliche
Familienplanung kann nur funktionieren, wenn Frau und
Mann sich in wichtigen Fragen einig sind: Möchten
wir jetzt ein Kind oder nicht? Sind wir beide bereit,
Verantwortung für unsere Entscheidung zu
übernehmen und Regeln einzuhalten? Um
diese Fragen zu beantworten, bedürfe es des
nachhaltigen Gesprächs zwischen den Partner. Und
hier mache sie immer wieder die schöne Erfahrung,
so die NFP-Beraterin, daß Frauen und Männer
sich ganz neu füreinander öffnen, miteinander
versuchen, die Sexualität in ihrer Partnerschaft
verantwortlich zu leben. Besonders an den fruchtbaren
Tagen der Frau laufe nichts ohne partnerschaftliche
Verständigung. Wolle man zu diesem Zeitpunkt eine
Schwangerschaft vermeiden, sei Geschlechtsverkehr tabu.
Viele Paare würden so andere Formen sexueller
Zärtlichkeit entdecken oder wiederentdecken. Zwar
sei die NFP komplizierter, als einfach die Pille
einzuwerfen, jedoch funktioniere sie absolut frei von
gesundheitlichen Nebenwirkungen.
Und was sagen die, die mit NFP praktische Erfahrungen
gesammelt haben? Regina (31): Das Leben mit
meinem biologischen Rhythmus hat mich selbstbewußter
gemacht. Harald (25): Ich weiß
jetzt, daß Fruchtbarsein nicht nur das
Problem meiner Frau ist. Lisa (29):
Ich erlebe jetzt bewußter, daß ich
eine Frau bin. Christina (23):
Momentan setzt er sich zum ersten Mal damit
auseinander, daß er Vater werden kann.
Thomas Steierhoffer
(Ausgabe Nr. 21 / 24.5.98)
Weitere Informationen zu NFP erhalten Sie in der
Beratungsstelle für Natürliche Familienplanung
und Sexualpädagogik der Caritas,
Gürtelstraße 8, 13088 Berlin-Weißensee;
Tel.: (030) 962539-12/19. Die Malteser haben zu NFP auch
eine Info-Broschüre herausgegeben. Sie ist kostenlos
erhältlich bei:
Malteser Werke, Kalker Hauptstraße 22, 51103
Köln, Arbeitsgruppe NFP.
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