Komm
und entdeck mit
mir...
Auf Stippvisite
bei der Religiösen Kinderwoche in Kamminke auf der
Insel Usedom
Kamminke - Freitagvormittag im August. Eine
seit der Wende vernachlässigte Betriebsferienanlage
bei Kamminke am östlichsten Zipfel der Insel Usedom.
Kinder und Jugendliche spielen zwischen
Camping-Hütten und Zelten. Ein Mann um die
Fünfzig in Jeans und Freizeithemd macht sich an
Geschirrtüchern zu schaffen. Was aussieht wie
gemütliches Campingleben ist eine Lagerveranstaltung
der besonderen Art: die Religiöse Kinderwoche,
abgekürzt RKW, der Pfarrei Stella Maris in
Heringsdorf. Der Mann am Küchentisch entpuppt sich
als Pfarrer Bernhard Langner, seit fünf Jahren
Inselseelsorger mit dem Ruf des Unkonventionellen.
Alt-Buchhorst und Otto-Heim in Zinnowitz waren
völlig ausgebucht in diesem Jahr, deshalb
mußten wir uns was anderes für unsere RKW
ausdenken, erklärt der Pfarrer mit
verschmitztem Lächeln und deutet auf eine der
kleinen Baracken. Zusammen mit Dorina und Andreas, zwei
Studenten aus Greifswald, ging er ans Werk: Es wurde
gemalert und tapeziert, Müll weggeräumt,
Matratzen und Bettzeug organisiert, Biertische
aufgestellt, ein Zeltdach gespannt - bis die Anlage
soweit hergerichtet war, daß man sich
wohlfühlen kann. Auch eine Köchin mit
Improvisationstalent wurde gefunden, die auch auf
kleinstem Raum schmackhafte Gerichte zuzubereiten
versteht.
Gegen Mittag versammeln sich die rund 30 Kinder im Kreis
und tragen die Ergebnisse ihrer zweistündigen
Gruppenarbeit zusammen. Heute stand das Thema
Mein Platz im Leben auf dem Programm.
Die Geschichte von Fips dem Floh wurde erzählt, der
über sein Dasein als Schmarotzer nachdenkt und
schließlich seinen Platz im Leben gefunden hat:
Ich muß den Bauern von Zeit zu Zeit
beißen, damit er sich nicht zu waschen
vergißt.
Über ihren Platz im Leben haben an diesem Vormittag
nicht nur die Kinder aus Heringsdorf und den umliegenden
Gemeinden nachgedacht. In der Runde sitzen auch sieben
junge Leute aus dem tschechichen Bistum
Königgrätz mit Jiri, ihrem Betreuer. Durch
Vermittlung des Caritas-Verbandes konnte ihnen die
Teilnahme an der Kinderwoche in Deutschland
ermöglicht werden. Als Betreuer dabei sind auch zwei
polnische Theologiestudenten. Und nicht zuletzt Frank,
der sich auf die Priesterweihe in Berlin vorbereitet.
Die Verständigung klappt besser als
erwartet, gibt er zu Protokoll.
Gesprochen wurde mit Händen und
Füßen. Die Kinder haben schnell die
wichtigsten Wörter gelernt, längere
Redebeiträge werden jeweils übersetzt.
Der Gedanke der Völkerverständigung ist Pfarrer
Langner besonders wichtig: Hier wird ein echtes
Stück Nachbarschaft praktiziert, betont
er. Wir müssen mal einem Polen die Hand
geben, polnische Theologiestudenten müssen mal die
deutsche Kirche erleben, dann können die
gängigen Vorurteile vom Nachbarland als billigem
Schnäppchenmarkt einerseits und der angeblich
reichen deutschen Kirche andererseits abgebaut
werden. Und daß Jugendliche aus Tschechien
jetzt auf Usedom ihre Ferien verbringen, ist für
Pfarrer Langner eine bedeutungsvolle Fügung der
Geschichte. Vor 50 Jahren verstärkten
Vertriebene aus dem Bistum Königgrätz die Zahl
Katholiken auf der Insel. Jetzt kommen Kinder von dort
hierher und erinnern die ehemaligen Flüchtlinge an
die Heimat.
Als Tischgebet formuliert der Pfarrer eine schlichte,
aber eindringliche Mahnung: Denkt daran,
daß es weltweit viele Kinder gibt, die nichts zu
beißen haben und keinen Nachbarn, der sie an den
Händen hält. Der besondere Dank gilt
heute auch den Spendern und Sponsoren, die die
Kinderwoche finanziell unterstützt haben. Darunter
ein Goldenes Hochzeitspaar aus der Gemeinde, das auf
Geschenke verzichtete zugunsten der Kinderarbeit in
Heringsdorf. Rund 1.200 Mark seien dabei allein
zusammengekommen, betont Langner und ergänzt
trocken: Det verballern wir jetzt
hier. Auch den Dank ans Erzbistum vergißt
er nicht: die Religiöse Kinderwoche lebt
nämlich auch von Erstattungen des Seelsorgeamtes.
Ohne diese Mittel wäre die Teilnahme von Kindern aus
finanziell weniger bemittelten Familien nicht
möglich.
Komm und entdeck mit mir... lautete
das Thema der diesjährigen RKW, die in den
ostdeutschen Bistümern eine lange und bewährte
Tradition hat. Religiöse Kinderwochen gehören
hier zum Sommer wie der Strandkorb zur Ostsee. Kaum eine
Pfarrei in den neuen Bundesländern möchte
darauf verzichten. Ein Katechetenteam aus Hamburg und
Mecklenburg hat in diesem Jahr die zentrale Handreichung
erstellt. Sie lädt ein zu Entdeckungsreisen in
Kirchen der Umgebung. Spielszenen, Tänze, Lieder und
Basteltips sorgen für kindgerechte Annäherung
an Architektur und Ausstattung von
Gotteshäusern.
Daneben bleibt viel freie Zeit zum Spielen und neue
Freunde finden. Auf dem Zeltplatz von Kamminke haben sich
sogar die Kinder von benachbarten Campern für die
RKW interessiert. Det is auch mal wichtig,
daß auf diese Weise etwas von Kirche erfahren
wird, sagt Pfarrer Langner. Grzegorz, einer der
polnischen Betreuer aus Oppeln, gibt dem Reporter mit auf
den Weg: Ich kenne eure KirchenZeitung gut. Sie
ist in letzter Zeit viel besser geworden. Aber es fehlen
noch mehr Berichte vom Papst...
Joachim Opahle
Nr. 36/98 vom 6. September 1998
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