In Pommern wurde schon immer mehr getrunken 

Caritas bietet Hilfe für alkoholabhängige Menschen in Pasewalk an 

Pasewalk (ts.) - Johanna (52), Frank-Michael (42) und Werner (62) halten die Karten verdeckt. Am hinteren Ende einer langen Tafel sitzen sie zusammen und spielen Skat. „Nach der Arbeit das Vergnügen“, freut sich Frank-Michael und spielt einen Trumpf aus. Seine beiden Spielpartner sind entsetzt darüber, daß er ein so gutes Blatt auf der Hand hält und die Runde offensichtlich für sich entscheiden wird. 
Regelmäßig kommen die drei Kartenspieler in die neue Caritas-Tagesstätte für alkoholabhängige Menschen in Pasewalk. „Man schläft ruhiger bei dem Gedanken, daß uns hier geholfen wird“, sagt Werner. Und Johanna fügt hinzu: „Wir wollen von der Droge Alkohol wegkommen.“ 
Daß dieser Wille bei möglichst vielen alkoholkranken Menschen in Vorpommern wächst und sie mit Unterstützung und Beistand tatsächlich die Fesseln ihres Teufelskreises abstreifen können, ist das dringende Anliegen von Sozialarbeiterin Pia von Lüninck. Die Leiterin der Tagesstätte ist bereits Rentnerin. Doch zu diesem „lohnenden Kampf“, wie sie sagt, ist sie in Pasewalk noch einmal in den Ring gestiegen. „Pommern war in der Geschichte schon immer dafür bekannt, daß hier viel Alkohol getrunken wurde“, sagt Frau von Lüninck. Auch im zehnten Jahr nach der Wende leiden viele Menschen in der Region unter den „Wendefolgen“ wie Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Besonders prekär sei nach Einschätzung der Leiterin die Arbeitsmarktsituation für Frauen. Pia von Lüninck: „Auch heute gibt es in Vorpommern sehr viele alkoholkranke Frauen und Männer.“ Konkrete Zahlen liegen wegen der schwierigen statistischen Erfassung nicht vor. Aus ihrer christlichen Überzeugung heraus möchte die Sozialarbeiterin diesen Menschen helfen. 
Mit Unterstützung des Caritasverbandes, der Pasewalker Gemeinde St. Otto und vielen ehrenamtlichen Helfern ist es ihr gelungen, unweit des Bahnhofs der Stadt und in unmittelbarer Nachbarschaft zum gerade frisch renoviertern Rathaus eine Baracke zu beziehen. In den DDR-Jahren war hier die Kommunale Wohnraumverwaltung (KWV) untergebracht. Nach der Wende wechselten die Mieter häufig. Zwar platzt die Fassadenfarbe hier und da bereits ab, im Inneren des Hauses hat sich jetzt jedoch viel getan. Mit Unterstützung verschiedener Firmen wurde ein großer Teil der Renovation und der Modernisierung in Eigenleistung bestritten. Auch alkoholabhängige Frauen und Männer beteiligten sich. „Das war uns ganz wichtig, schließlich sollen sich diese Menschen in ihrem Haus auch zu Hause fühlen“, erklärt Pia von Lüninck. Aus Mitteln des Caritasverbandes standen für die Modernisierung 30.000 Mark zur Verfügung. Was aus diesem Geld in Pasewalk gemacht wurde, kann sich sehen lassen. Das Haus verfügt jetzt über einen großzügigen Sanitärtrakt, in dem die Gäste duschen und später vielleicht auch ihre Wäsche waschen können. Ein neuer Heizkessel wurde eingebaut, die Wände sind frisch gestrichen und der Fußboden ist neu verlegt. Auch das Mobiliar konnte neu angeschafft werden. 
Die Tagesstätte in Pasewalk reiht sich ein in die Kette von vier vergleichbaren Einrichtungen, die der Caritasverband bundesweit in eigener Trägerschaft führt. „Mit dieser Einrichtung in Vorpommern wurde ein weißer Fleck auf der Landkarte gefüllt“, sagt Frau von Lüninck. Gemeinsam mit zwei pädagogischen Mitarbeiterinnen und einer Mitarbeiterin in der Verwaltung bemüht sich die Leiterin jetzt um maximal 18 alkoholabhängige Menschen. Finanziert wird das Projekt zu zwei Dritteln vom Sozialministerium des Landes und zu einem Drittel über den Landkreis. Hinzu kommen Mittel des Trägers, des Caritasverbandes für Vorpommern e. V. Die Abrechnung erfolgt über den sogenannten Pflegesatz. 
Die Tagesstätte befindet sich in der Haußmannstraße 89 in Pasewalk, Tel.: 03973/210222 . Sie ist montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr und samstags von 8 bis 13 Uhr geöffnet. 

Thomas Steierhoffer
 Nr. 47/98 vom 22. November 1998