Straßenname ehrt Breslauer
Prälaten
Wichtigen Boulevard in Bernau feierlich
in Ulitzkastraße umbenannt
Bernau - Jetzt haben es die Mitglieder der Bernauer
Gemeinde Herz Jesu gemeinsam mit ihrem Pfarrer Peter
Beier geschafft. Wenngleich er den Weg über den
Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung
als normal, keineswegs als
bürokratisch bezeichnet, waren doch
Anstrengungen nötig. Aber die
Bemühungen haben sich gelohnt, betont
Pfarrer Beier. Am vergangenen Sonntag wurde die
Breitscheidstraße zwischen Börnicker
Straße und Bahnhofstraße, ein Abschnitt des
wichtigsten Boulevards von Bernau, der an der
katholischen Kirche entlangführt, in
Ulitzkastraße umbenannt. Der Pfarrer der
Herz-Jesu-Gemeinde nahm im Anschluß an den
Sonntagsgottesdienst die Straßenumbenennung
vor.
Carl Ulitzka, der gebürtige Oberschlesier, erblickte
am 24. September l873 in Jernau, Kreis Leobschütz,
das Licht der Welt. Wenn
auch das Wort, daß ein richtiger Berliner in
Schlesien geboren ist, nicht stimmt, so hat die
Kirche
von Berlin der Kirche von Breslau sehr viel zu
verdanken, meint Pfarrer Beier. Ihm und seiner
Gemeinde war es ein besonderes Anliegen, Carl Ulitzka in
der Stadt zu ehren, in der er eine Kirche gebaut hat.
1998 wurde als guter
Zeitpunkt für diese Würdigung erkannt. Der 125.
Geburtstag Ulitzkas, sein 45. Todestag sowie das 90.
Weihejubiläum von Herz Jesu fallen in dieses Jahr.
Wer in Bernau aus dem Bahnhofsgebäude tritt, sieht
schräg hinter dem frisch sanierten Postamt auf der
rechten Seite den 66 Meter hohen Turm der
Herz-Jesu-Kirche. Im neugotischen Stil wurde sie nach
Plänen des Charlottenburger Architekten Paul
Ueberholz erbaut. Nach der Grundsteinlegung am 23. Mai
1907 dauerten die Bauarbeiten gerade mal anderthalb
Jahre. Der Breslauer Kardinal Kopp ließ es sich am
13. September 1908 nicht nehmen, ins Barnimer Land zu
reisen, um hier in Bernau die Kirchweihe zu feiern. Von
dem für die Kleinstadt großartigen Ereignis
zeugt bis heute die mit reichlich Fotos illustrierte
Festschrift Die Konsekration der neuen
Herz-Jesu-Kirche in Bernau (Mark) bei Berlin am 13.
September 1908. Das von Carl Ulitzka
herausgegebene Heft hat Pfarrer Peter Beier jetzt
nachdrucken lassen. Er selbst besitzt nur noch ein
einziges Original, das er natürlich hütet wie
seinen Augapfel.
In den Akten des Reichstages von 1919 bis 1933 begegnet
der Leser dem Namen Carl Ulitzka häufig. Als
Zentrumsabgeordneter vertrat er im Reichstag die
Interessen Oberschlesiens. Als Sozialpolitiker waren ihm
die Sorgen der Industriearbeiter und Kleinbauern nicht
fremd. Vielmehr war es Ulitzka wichtig, die Anliegen der
kleinen Leute in die politische
Diskussion einfließen zu lassen. Er verstand sich
als ihr Vertreter in dem hohen Gremium.
Mit seinem engagierten, kritischen Auftreten und seinen
vom christlichen Geist geprägten
Politikverständnis machte sich Ulitzka während
der Nazi-Diktatur keine Freunde unter den braunen
Machthabern. Als Schweinehund
oder
Polenkönig wird er 1933 von
SA-Leuten beschimpft. In der 1939 von Heinrich Himmler
veranlaßten Erfassung führender
Männer der Systemzeit charakterisieren die
Nazis Ulitzka als scharfer Gegner der
NSDAP. Im Juli
1939 weisen ihn die braunen Machthaber als
Förderer des Polentums aus
Ratibor aus. Ulitzka geht nach Berlin und wird Seelsorger
im Karlshorster St. Antonius-Krankenhaus. Als Mitwisser
um das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944
verhaftet ihn die Gestapo. Am 25.11.1944 muß er
seinen Leidensweg ins KZ Dachau antreten. Erst Ende
März 1945 kommt er aus dieser Hölle frei. Kurz
vor der Befreiung Dachaus durch die Amerikaner wird
Ulitzka aus der Haft
entlassen. Zunächst bleibt der Priester in Bayern.
Nach Kriegsende schlägt er sich über Berlin
nach Ratibor durch. Kurze Zeit später wird er aus
Polen ausgewiesen und landet erneut in Berlin. Wiederum
im St. Antonius-Kran-
kenhaus nimmt er seinen Dienst als Hausgeistlicher auf.
Nun allerdings in Friedrichshagen am Müggelsee, da
die Sowjetische Militäradministration in Karlshorst
ihr Domizil aufgeschlagen hatte. Prälat Carl Ulitzka
stirbt am 12.
Oktober 1953 im St. Antonius-Krankenhaus, nur drei Wochen
nach Vollendung seines 80. Lebensjahres. Seine letzte
Ruhestätte hat er auf dem Friedhof Karlshorst
gefunden.
Das Wissen um das Wirken des Priesters Carl Ulitzka macht
verständlich, warum von der Bernauer Kirchengemeinde
im Zusammenhang mit der Sanierung der
Breitscheidstraße längs des
Kirchengrundstückes die Initiative ausging,
eine
Straße im Kiez in Ulitzkastraße
umzubenennen. Mit dem Namen
Ulitzka ehren die Bernauer jetzt einen Mann, dem auch die
Stadt vieles zu verdanken hat. Der Turm von Herz Jesu
gehört selbst im kommunalen Amtsblatt zur Silhouette
von Bernau. Wie gut der Standort der katholischen Kirche
gewählt worden war, machen die Worte Carl Ulitzkas
deutlich, die er in der Festschrift von 1908 fand:
Einen besseren, geeigneteren Platz, als das
Gotteshaus erhielt, hätte man nicht wählen
können. Einige Schritte vom Bahnhof entfernt, winkt
sie mit ihrem schlanken schönen Turm und dem hohen,
leuchtenden Kreuz den von der Reichshauptstadt Kommenden
von weiter Ferne einen Willkommensgruß
zu.
Thomas Steierhoffer
(Ausgabe Nr. 18 / 3.5.98)
Bildzeilen:
Prälat Carl Ulitzka (Foto: Archiv)
Das neue Straßenschild in Bernau (Foto: Max
Mirschel)
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