Von der
Stadtvilla ins Kloster
Die Redaktion
der KirchenZeitung und der Morus-Verlag sind in Tempelhof
angekommen. Vieles bedarf noch einer ordnenden Hand, doch
der Übergang ging reibungslos
Unter der Hausnummer 65 in der Götzstraße
verwittert langsam das Schild mit der Aufschrift
Leonhard-Adler-Haus. Ein Blick in den
Schematismus offenbart im Sachverzeichnis zwar ein
Ludwig-Wolker-Haus, zu dem es aber
keine Liegenschaft, sondern nur einen Verein gibt.
Leonhard Adler ist nicht aufgeführt, dafür gibt
es aber die Liegenschaft - auch gut. Hier nun ist der
neue Standort der Redaktion der katholischen
KirchenZeitung und des Morus-Verlages. Am Umzugstag, dem
1. Juli waren es beinahe auf den Tag genau 35 Jahre lang,
daß die vornehme Brenninkmeyer-Villa in
Berlin-Steglitz als Firmensitz diente. Zusammen mit der
Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) entstand hier so
etwas wie ein katholisches Medienzentrum. Die KNA zog
schon vor einigen Jahren in das neue Berliner Zentrum, in
die Chausseestraße. War die Villa nun zu groß,
zu teuer, zu exklusiv, zu wertvoll für Zeitung und
Verlag? Die Entscheidung, das Haus zu verkaufen wird wohl
gewichtige Gründe gehabt haben.
Wohin in Berlin? Seit Jahren schon ist die
Götzstraße eine häufig
angebotene Adresse für katholische Einrichtungen,
auf der Suche nach einem Obdach. Nachdem der
Franziskaner-Orden das Kloster aufgegeben hatte und das
Studentenwohnheim Leonhard-Adler (man muß im
Schematismus unter S, nicht unter
L suchen) aufgelöst worden war,
war hier Platz genug für viele Einrichtungen: Die
St. Johannes Capistran-Kirche wird von der Katholischen
Mission der Polen genutzt, deren Seelsorger auch hier
wohnen. In einem Teil der ehemaligen Studentenbuden sind
die Katholische Arbeitnehmer Bewegung und das Kolpingwerk
untergebracht. Auch der Bund der Deutschen Katholischen
Jugend (BDKJ) im Erzbistum Berlin, die KJG, die CAJ, die
Kolpingjugend und die DPSG haben nach der Trennung von
Bischöflichem Jugendamt und den Verbänden hier
eine Bleibe gefunden. 1990 war die Götzstraße
65 die Anschrift des 90. Deutschen Katholikentages, der
hier sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Von den
Arbeitsstellen des Erzbischöflichen Ordinariats sind
das Diözesanarchiv und der technische Dienst hier
untergebracht. Mit dem Einzug des Morus Verlages und der
Redaktion der Kirchen Zeitung ist die
Götzstraße ein Stück mehr zu
einem kleinen katholische Zentrum am Rande der
Hauptstadtmitte geworden. Nur sechs Stationen mit der
U-Bahnlinie 6 und man ist in Stadtmitte.
Der Umzug von Steglitz nach Tempelhof war eine kleine
Meisterleistung aller Beteiligten, denn er fand
bei laufender Produktion statt.
Gerade in Zeiten hoher Technisierung ist das gar nicht so
einfach: Das Umschalten der Telefonverbindungen und der
Datenleitungen muß genau abgesprochen werden. Die
Computer, also das Handwerkszeug der Redakteure,
müssen neu angeschlossen und vernetzt werden. Eine
kleine Panne nur und das Erscheinen einer Ausgabe der
Zeitung wäre gefährdet gewesen.
Glücklicherweise ist alles Gut gegangen. Alle 16
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben einen Platz
gefunden. Die Geschäftsleitung, die Verwaltung,
Vertrieb und Anzeigenabteilung arbeiten da, wo
früher Studenten schliefen. Die Redaktion und der
Buchhandel ist im früheren Speisesaal der
Franziskaner und im großen Saal des Klosters
untergebracht. Viel Zeit franziskanischen Geist
aufzusaugen, war dem Ort nicht gegeben. 1967/68 wurde das
Kloster bezogen. Der jetzige Pfarrer von St. Georg in
Berlin-Pankow, P. Norbert Just OFM, war der erste
Franziskanerpater, der hier wohnte. Große Namen
folgten ebenso wie die großen Schwierigkeiten mit
den Studenten der 68ger. Schon Anfang der 80ger Jahre
wurde das Kloster aufgegeben, die Gemeinde St. Johannes
Capistran wieder mit der Mutterpfarrei Herz Jesu
vereinigt und das Studentenwohnheim Leonhard Adler
langsam aufgelöst. Das Kloster, so erinnert sich P.
Norbert, sei von Anfang an viel zu groß gewesen. Die
Vorstellung, daß einmal 30 junge Männer in
Chorraum der Kirche liegen und die ewige Profeß
ablegen, hätte sich sowieso nie erfüllt.
Das Leonhard-Adler-Haus, das Kloster und die Kirche haben
sich wieder mit Leben gefüllt: Eine
ausländische Gemeindemisssion, katholische Jugend-
und Sozialverbände, die fleißigen Männer
von der Tischlerei und dem technischen Dienst,
Dokumentation von Geschichte und Gegenwart - Archiv,
Morus-Verlang und KirchenZeitung.
Lutz R. Nehk
Nr. 31/98 vom 2. August 1998
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