Die Magie
des blauen Lichtes
Günter Ries macht aus einem
Bau-Container ein begehbares Kunstwerk. Auf dem
Hamburger Katholikentag wird die Berliner
Initiative
erstmalig zu sehen sein. Wir sprachen mit dem
Künstler über seine Ideen
Frage: Herr Ries,
Sie haben den Auftrag, das Erzbistum Berlin in
künstlerischer Form auf dem Hamburger
Katholikentag zu präsentieren. Wie sind Sie zu dem
Auftrag gekommen?
Ries: Das hat sich eigentlich aus dem Projekt
„Sehnsucht - Kathedrale im Licht“ ergeben.
Die Lichtinstallation umhüllte die Berliner
Bischofskirche, die St. Hedwigs-Kathedrale, in den
Nächten von Weihnachten bis Dreikönig mit
einem hoheitsvollen blauen Lichtmantel. Damals gab es
bereits eine gute Zusammenarbeit mit der
Kulturbeauftragten des Erzbistums, Dr. Christine Goetz.
Im Diözesanrat der Berliner Katholiken entstand
der Wunsch, sich mit einer künstlerischen Arbeit
auf dem Katholikentag in Hamburg zu präsentieren.
Die Arbeitsgruppe des Diözesanrates hat mich dann
mit dem Projekt beauftragt.
Frage: Worum handelt es sich bei Ihrem
Projekt?
Ries: Die erste Idee kam aus der Arbeitsgruppe
selbst. Der Pressesprecher des Erzbistums, Andreas
Herzig, hatte die Intuition, mit einem Bau-Container
etwas zu machen. Ein Bau-Container, monolithisch und
schwer, direkt und real - ein Objekt des Alltags, das
man auf den Straßen sieht. Bau-Container
überall, im ganzen Gebiet des Erzbistums Berlin -
in der neuen Hauptstadt stapeln sie sich
unübersehbar, aber auch in Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern prägen sie Stadt und Land.
Der Bau-Container als Realität und als Symbol:
für das Neue und das Harte, für das Lastende
und Schwere, aber auch für den Aufbruch und den
Aufbau. So könnte man die erste Aussage, den
ersten Ansatz bezeichnen. Ich habe die Idee dann sofort
begeistert aufgenommen und das Konzept einer
Licht-Klang-Installation entwickelt.
Frage: Was werden die Katholikentags-Besucher
erleben?
Ries: Der Container entwickelt seine Wirkung
zunächst von außen, als blauer Monolith. Die
Außenwände bleiben in ihrer
ursprünglichen funktionalen Form erhalten,
lediglich ein wertvolles Ultramarin-Pigment wird sie in
ein tiefes, blaues Leuchten hüllen. Die
Erscheinung des Containers wird sich dadurch sehr
verändern. Der Besucher wird spüren, dass
hier durch die sehr hochwertige
Oberflächenmaterialität, anstelle der
normalen Lackfarbe, eine ganz eigene Aura entsteht.
Das Innere des Containers ist begehbar. Innen eine
überraschende und unerwartete Gegenwelt: Weite
(obwohl der Raum klein ist), Offenheit,
Komplexität, ein unendlich gespiegelter Raum, auch
die Aura des Technischen und eine gewisse Kühle.
Der Container ist ein begehbarer Schrein. Er muss vom
Menschen betreten werden, um seinen Sinn zu entfalten.
Die aktive Mitwirkung der ihn betretenden Menschen ist
die Voraussetzung, dass sein Inneres lebt, erwärmt
und aktiviert wird. Das ist der zentrale Gedanke des
Projekts.
Frage: Woher kommt Ihre offensichtliche
Vorliebe für die blaue Farbe?
Ries: Ich habe dieses Blau direkt zur blauen
Lichtaura meiner Lichtinstallation an der St.
Hedwigs-Kathedrale in Beziehung gesetzt. Durch diese
Variation der Farbe Blau erreichen wir eine Verbindung
von Berlin nach Hamburg. Blau ist wohl eine der
geheimnisvollsten Farben. In vielen Kulturen ist Blau
neben dem Gold immer auch eine sehr wichtige Farbe
gewesen. Man denke nur an das berühmte Lapislazuli
der Ägypter. Ursprünglich wurde das
Ultramarinblau in der Antike aus dem sehr wertvollen
Edelstein Lapislazuli gewonnen. Die häufigsten
Fundstellen waren „Ultramarinum - jenseits des
Meeres“. Daher der Name Ultramarinblau.
Möglicherweise bezieht das Blau seine Faszination
aus dem Umstand, dass es dem gelbweißen
Farbspektrum unseres Sonnenlichts komplementär
entgegengesetzt ist. Das lebenswichtige Sonnenlicht ist
für uns die lebensspendende Lichtquelle. Unsere
Psyche setzt das gleich mit dem Empfinden für
Lebenswärme, Harmonie und Geborgenheit. Blau
dagegen ist kalt, fremd, wie das Licht einer fremden
Sonne, geheimnisvoll, exotisch und unergründlich.
Blau ist auch die Farbe des Geistigen im Menschen, der
Meditation, der Spiritualität, der Dinge, die
über unser irdisches Dasein hinausgehen ins
Unendliche. Wie das Blau des Himmels, der sich an der
Grenze der Erde im Übergang zum Universum
befindet. Transzendenz ist das Überschreiten
dieser Grenze von Erfahrung und Bewusstsein. Die
Vibration der Seele geht bei der Farbe Blau in die
innere Tiefe. Im Musikalischen entspricht das Blau dem
tiefen feierlichen Klang der Orgel, wie Kandinsky
sagt.
Frage: Wie sieht es im Inneren des Containers
aus?
Ries: Die Türen des Containers sind
geöffnet. Im Inneren wird es eine
Licht-Installation geben. Die Wände des Containers
sind mit Spiegeln und einer speziellen Nachleuchtfolie
verkleidet. In der szenischen Dramaturgie wird eine
Spannung erzeugt von einem grellen gleißenden
Licht der drei außergewöhnlichen,
computergesteuerten MHD-Scheinwerfer bis zu einem ganz
dämmrigen blauen Leuchten einer Säule. Die
Besucher und der Raum reflektieren sich in den
Spiegeln, und viele Bedeutungsebenen werden
wahrnehmbar: Der Spiegel als Medium der Erkenntnis und
der Reflexion, der Eitelkeit und der Befangenheit, der
Gegenwart und der Ewigkeit. Der Mensch im Spiegel
seiner selbst.
Die Nachleuchtfolie hat eine ganz besondere Wirkung.
Sie sammelt das Licht. Wenn aber jemand vor dieser
Folie steht, zeichnet sich sein Schatten ab, und dieser
Schatten bleibt minutenlang erhalten, wenn
plötzlich das Licht verschwindet. Die Folie
leuchtet im Dunkeln sehr stark und der Schatten des
Besuchers zeichnet sich deutlich ab, wie sein zweites
Wesen, zeigt den Menschen als Licht-Schatten-Form in
seiner Vergänglichkeit.
Frage: Sie sprachen vorhin von
Licht-Klang-Installation. Wo bleibt der Klang?
Ries: Zu den visuellen Eindrücken gesellt
sich die Klang-Ebene. Zu hören sind menschliche
Stimmen, die immer nur die stereotypen Worte Null -
Eins sprechen. Dieses monotone 0 - 1 ist sozusagen die
Basis der Computersprache. Die Variation wird über
die Stimmodulation erreicht. Es gibt weibliche,
männliche, junge, alte, leise, laute, harte,
weiche, helle, dunkle Stimmen. Sie sind einzeln
hörbar oder werden gemischt,
übereinandergelagert zu einem großen Chor und
wieder reduziert zu „Dialogen“. In dieser
dramaturgischen Bearbeitung wird diese Art von Klang in
einer Endlosschleife im Container zu hören
sein.
Frage: Wenn Sie Ihre Installation betrachten,
worin sehen Sie das Spezifische für den Berliner
Katholizismus?
Ries: Ich bin in erster Linie bildender
Künstler. Mir geht es vor allem um eine
künstlerische Qualität und Konsequenz dieser
Licht-Klang-Installation. Die Anregung kam, wie gesagt,
von der Arbeitsgruppe des Diözesanrates selbst.
Ich könnte mir denken, dass die künstlerisch
umgesetzte Aufbruchstimmung in Berlin durchaus auch auf
den Katholizismus in der Stadt übertragbar ist.
Christine Goetz hat noch einen zweiten Aspekt genannt.
Ihr sei aufgefallen, dass viele katholische Kirchen in
der Stadt Berlin eher in die Häuserzeilen
hineingebaut wurden. Anders als bei vielen
evangelischen Kirchen. Außen wirken sie eher
spartanisch. Wenn man jedoch hineinkommt, öffnet
sich der Raum. Und vergleichbar ist es mit dem
Container auch.
Frage: Der Außenanstrich des Containers
soll erst vor Ort in Hamburg erfolgen?
Ries: Ja. Er wird hier in Berlin vorgestrichen.
Da es sich bei der abschließenden Farbgebung um
ein empfindliches Pigment handelt, möchte ich es
erst in Hamburg auftragen.
Frage: Wer bezahlt das Projekt?
Ries: Das Erzbistum Berlin über den eingerichteten
Fonds zum Katholikentag.
Frage: Was passiert mit dem Container nach dem
Hamburger Katholikentag?
Ries: Er kommt wieder zurück nach Berlin. Der
Container bleibt Besitz des Erzbistums. Es gibt
Überlegungen, ihn eventuell zum Ökumenischen
Kirchentag 2003 noch einmal zu zeigen.
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