Einen Schritt davor
setzen
Im Sommer 1999 erhielt Schwester
Monika die
Betriebsgenehmigung für das „Kinderhaus
Sonnenblume“ im brandenburgischen Schönow.
Ursprünglich wollte sie mit ihren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern hier für Findelkinder da sein.
Wir sprachen mit Schwester Monika über die
Entwicklung des Hauses, über seine Angebote und
Perspektiven
Frage: Schwester Monika, im Sommer 1999
wurde Ihr Haus in Schönow offiziell eingeweiht.
Ursprünglich wollten Sie hier für
Findelkinder ein Zuhause schaffen. Wie hat sich das
Projekt „Kinderhaus Sonnenblume“ seither
entwickelt?
Schwester Monika: Im Juli 1999 haben wir die
Betriebsgenehmigung als Mutter-Kind-Einrichtung
bekommen. Im Nachhinein bin ich ganz froh, dass wir
heute eine Mutter-Kind-Einrichtung und kein Haus
für Findelkinder geworden sind. Ich merke jetzt,
dass wir noch einen Schritt davor setzen können.
Die Mutter muss ihr Kind nicht vor die Tür legen.
Wir nehmen heute schwangere Frauen auf, die
entscheidungsunsicher sind, ob sie ihr Kind
überhaupt behalten sollen oder nicht. Wir nehmen
auch Frauen mit Neugeborenen auf und natürlich
ungewollte Kinder. Ich sage nicht so gerne
„Findelkinder“, sondern lieber
„ungewollte Kinder“.
Frage: Wie finanziert sich das Projekt?
Schwester Monika: Theoretisch gibt es eine
Mischfinanzierung. Das bedeutet, dass wir vom Jugendamt
Gelder für die Frauen bekommen, die nicht anonym
bleiben möchten. Da jedoch der größte
Teil der Frauen, die zu uns kommen, anonym bleiben
wollen - und das verstehe ich durchaus, da es sich hier
um unser großes Angebot handelt, die Frauen anonym
aufzunehmen - können wir für diese Frauen
natürlich keine Gelder einfordern. Ich merke
zunehmend, dass bei uns alles mit der Anonymität
steht und fällt. Und deshalb ist es von
existenzieller Bedeutung, dass es uns gelingt, unser
Angebot über Spendengelder zu erhalten und zu
finanzieren.
Frage: Sehen Sie das „Kinderhaus
Sonnenblume“ als Zwischenlösung für
Frauen und ihre Kinder, oder handelt es sich hier um
eine alternative Lebensform?
Schwester Monika: Wir nehmen die Frauen und die
Kinder so lange bei uns auf, bis eine richtige
Lösung für sie gefunden ist. Und diese
Lösung ist immer ganz individuell. Das sieht bei
jeder Frau ganz anders aus. So haben wir mit einer Frau
ausgemacht, dass sie ein Jahr bei uns bleibt. Es zeigt
sich jetzt, dass sie nicht in eine Wohnung kann. Sie
kann nicht selbstständig mit dem Kind leben. Wir
recherchieren, in welcher anderen Einrichtung wir sie
unterbringen können. Wir haben auch illegale
Frauen hier, die gar keine Möglichkeit haben,
offiziell irgendwo zu entbinden. Sie haben bei uns die
Chance, unterzutauchen und ihr Kind zur Welt zu
bringen. Und dann überlegen wir gemeinsam, wie die
Probleme gelöst, die Alltagsdinge geregelt werden
können. Und wir haben auch ein Kind hier, das von
seiner Mutti bei uns abgegeben wurde. In diesem Fall
laufen gerade die Verhandlungen, was mit dem Kind
weiterhin geschehen kann.
Frage: Habe ich das richtig verstanden, dass
Sie auch eine Art Entbindungsstation sind?
Schwester Monika: Bevor eine Frau ihr Kind auf
einer öffentlichen Toilette oder im Park
entbindet, kann sie das viel besser auch bei uns tun.
In unserem Verein arbeitet Gott sei Dank auch eine
Gynäkologin, die uns dann zur Seite stehen
würde. Hier im Haus hat es bislang noch keine
Geburt gegeben. In einem konkreten Fall konnten wir ein
kirchliches Krankenhaus finden, in dem wir die
schwangere Frau völlig unbürokratisch und
anonym unterbringen konnten. Dafür bin ich sehr
dankbar.
Frage: Wieviele Frauen und Kinder leben zur
Zeit bei Ihnen?
Schwester Monika: Wir haben drei Plätze
für Mutter und Kind, und die sind auch belegt. Es
haben sich zwei Bereiche herausgebildet. Einmal die
Frauen, Mütter und Kinder, die hier leben, und
andererseits viel mehr Frauen, die telefonisch,
brieflich oder auch persönlich ambulanten Kontakt
mit uns haben. Sie suchen Rat und Hilfe und
erzählen von ihren persönlichen
Schicksalsschlägen.
Frage: Vor kurzem wurde in den Medien von der
Hamburger „Baby-Klappe“ berichtet. Was hat
es damit auf sich?
Schwester Monika: Für mich ist das erstmal
ganz erstaunlich. Als ich das Thema „Findelkinder
in Deutschland“ angesprochen habe, wurde immer
wieder abgewehrt. Mittlerweile gibt es bundesweit so
viele Fälle, dass dieses traurige Thema auch in
den Medien Niederschlag fand. Nachdem wir in
Schönow die Betriebsgenehmigung hatten, waren die
Hamburger auch bei uns. Wir haben uns über unsere
Erfahrungen ausgetauscht. In dieser Woche wird die
„Baby-Klappe“ in Hamburg eröffnet. Das
Anliegen dort ist genau wie bei uns: Leben
schützen, Leben retten. Und das geht auch dort
immer nur anonym. Es muss diese anonymen Angebote
geben, sonst werden weiterhin ungewollte Kinder
getötet.
Frage: Wie ist Ihr Verhältnis zum
Caritasverband?
Schwester Monika: In der Brandenburger Caritas
hatten und haben wir große Hilfe. Dafür bin
ich sehr dankbar. Bei allen Verhandlungen mit den
zuständigen Stellen im Land Brandenburg war die
Caritas immer dabei.
Frage: Wenn Pfarrgemeinden konkrete
Informationen über Hilfsprojekte bekommen, ist die
Spendenbereitschaft der Katholiken im Erzbistum Berlin
sehr groß. Wie erleben Sie das?
Schwester Monika: Ich bin erstaunt und erfreut
zugleich, wieviele Gemeinden sich für unser
Projekt engagieren. Gerade in der Fastenzeit erleben
wir es häufig, dass sich verschiedenste Gruppen
aus Gemeinden bereitfinden, sammeln und spenden. Ich
erlebe es immer wieder, dass die Leute, wenn sie
konkret wissen, wohin ihr Geld geht, enorm
spendenfreudig sind.
Frage: Sie haben ein lockeres Verhältnis
zu Journalisten. Waren es gute Erfahrungen mit den
Medien, die Sie bislang machen konnten?
Schwester Monika: Wir haben gerade in der
letzten Zeit sehr unterschiedliche Erfahrungen mit den
Medien gemacht. Aus der heutigen Sicht würde ich
mir wünschen, dass manche Privatsender oder
Zeitungen nicht hier gewesen wären. Viele Dinge
wurden entstellt berichtet. Und häufig wurde die
von uns so dringend angemahnte Ano-nymität der
Frauen und Kinder missachtet. Für mich bedeutet
das, dass diese Leute nicht mehr ins Haus
kommen.
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